Anzahl der Erwähnungen in österreichischen Tages- und Wochenzeitungen (März und April 2019) Anzahl der Erwähnungen in österreichischen Tages- und Wochenzeitungen (März und April 2019)
15 Mai

MEDIENKRITIK ZUR EUROPAWAHL: Error – KPÖ not found

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Die Berichterstattung der österreichischen Medien zur Europawahl hat einen gravierenden Makel. Gleich ob Boulevard, öffentlich-rechtlicher Rundfunk, sogenann­ter Qualitätsjournalismus oder liberaler Blätterwald – eine der sieben antretenden Parteien wird schlicht aus­geblendet.

KLEMENS HERZOG skizziert einen demokratie ­politischen Skandal ohne Widerhall.

Am 24. April gab die Bundeswahlbe­hörde bekannt, dass insgesamt sieben Listen auf dem Stimmzettel der Europawahl stehen werden. Neben den sechs Parla­mentsparteien steigt auch die KPÖ PLUS mit Katerina Anastasiou in den Ring. Wäh­rend Medien Behördenangaben im Regelfall blindlings wiedergeben, lassen sie in die­sem Fall etwas mehr Kreativität walten. In Berichten und Sendungen zur Europawahl ist durch die Bank nur von sechs antreten­den Parteien die Rede. Es ist ein quasi kol­lektiver Ausschluss einer Liste aus der Berichterstattung und dem demokrati­schen Wettbewerb der Ideen.

Jeder gegen Jeden?

Unter dem Titel »Jeder gegen Jeden« lud der Privatsender PULS 4 Ende April zur Hauptabendzeit zum Duell der »sechs« SpitzenkandidatInnen. Vergeblich suchte man jedoch die siebente Spitzenkandidatin. Auch bei den Wahlkonfrontationen im ORF, auf ATV, OE24TV und Servus TV das gleiche Bild: eine Kandidatin fehlt. Über hundert TV-Sendungen und Duelle laufen nach die­sem exklusiven Schema ab. Auch im Zeitungsbereich spielt sich Vergleichbares ab. So titelt Wolfang Fellners Boulevardblatt, »EU-Wahl: Alle Kandidaten im Österreich-Check«, ohne die siebte Kandidatin abzubil­den oder gar zu erwähnen. Es sind dies nur wenige Beispiele von unzählbar vielen – der Ausschluss der radikalen Linken zieht sich wie ein roter Faden durch die Berichter­stattung und Einladungspolitik zu Diskus­sionen. Die andauernde Wiederholung, das mediale Trommelfeuer des Immergleichen prägt die kollektive Wahrnehmung. Am Wahltag werden wohl nicht wenige über­rascht sein, am Stimmzettel eine siebte Liste vorzufinden.

Demokratie passt nicht ins Konzept

Nachgefragt bei den Verantwortlichen hört man meist die gleiche Antwort: Es werden nur Parteien berücksichtigt, die bereits im Europaparlament oder im österreichischen Nationalrat vertreten sind. Wenn man nun aber wissen will, WARUM dieses Kriterium überhaupt relevant sein soll, herrscht meist Funkstille; oder es heißt »Machen die ande­ren auch so« – »War schon immer so« – »Ist halt so«.

Drei bemerkenswerte Antworten sollen an dieser Stelle herausgegriffen werden. So gibt der Chefredakteur der Wiener Zeitung auf die Frage hin, wieso im Wahlhelfer nicht alle antretenden Parteien berücksich­tigt wurden, zu bedenken: »Inhaltlich war das nicht immer zielführend, weil natürlich nicht alle Klein- und Kleinstparteien ein ausgereiftes und detailliertes europapoliti­sches Programm haben. Tatsächlich haben diese Kleinparteien dann auch stets die Ori­entierung für die Bürger als Ergebnis des Wahlhelfers beeinträchtigt«. Sonderlich viel traut man der WählerInnenschaft offenbar nicht zu. Sechs Listen sind zumut­bar, eine Siebte jedoch schon überfor­dernd?

Von PULS4 kam die Begründung: »Die Planung einer so umfangreichen TV-Sen­dung beginnt nicht erst 20 Tage davor [Anm.: Frist, zu der die Kandidaturen ein­gereicht werden], sondern sollte zu diesem Zeitpunkt bereits großteils abgeschlossen sein«. Leider passt die Demokratie nicht in das Sendungskonzept. Schade.

Originell auch die Begründung aus dem Verbindungsbüro des Europäischen Parla­ments in Österreich, das in Zusammenar­beit mit der Universität Wien eine Podi­umsdiskussion mit »allen« sechs Spitzen­kandidatInnen organisiert: »Eine Festle­gung der PodiumsdiskutantInnen im Vorhi­nein ist bei jeder Veranstaltung aus Grün­den der Organisation, insbesondere der immanenten zeitlichen Beschränkungen, notwendig.« Und Zeit ist bekanntlich Geld.

Demokratiepolitisch ist dies höchst bedenklich. Denn wer die Hürde auf den Stimmzettel nimmt, ist rechtlich wählbar. Das gilt für die KPÖ gleichermaßen wie für alle anderen Parteien. Ob eine Partei auch moralisch und inhaltlich wählbar ist, haben die Wähler und Wählerinnen zu entschei­den. Nicht die Chefredaktionen und Veran­stalterInnen von Podiumsdiskussionen. Man kann nun die teils hanebüchenen Rechtfertigungen für den Ausschluss zur Kenntnis nehmen, oder man hält es mit Noam Chomsky, der postulierte: »Der schlauste Weg, Menschen passiv und folg­sam zu halten, ist, das Spektrum akzeptier­ter Meinungen strikt zu limitieren, aber innerhalb dieses Spektrums sehr lebhafte Debatten zu erlauben.«

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